Entrümpeln leicht gemacht

05.06.2012
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Platz da!

Ordnung ist das halbe Leben und Suchen bei vielen Menschen die andere Hälfte. Damit einem das Chaos nicht über den Kopf wächst, helfen Aufräummethoden und -tipps, die Dinge wieder an ihren Platz zu bringen.

Kommt Ihnen das bekannt vor – Sie haben zwar keine Ahnung, wofür Sie das Marmeladenglas ohne Deckel je-mals verwenden werden, aber wenn Sie es jetzt wegwerfen, brauchen Sie es morgen garantiert? Also räumen Sie es lieber sicherheitshalber zu den alten Blechdosen und Plastikboxen in den Küchenschrank. Wer seine Wohnung derart mit unnötigem Ballast zustopft, übersieht den Aufwand, den solche „Survival-Tools für den Sanktnimmerleinstag“ verursachen. Denn Sie verschwenden schlichtweg Ressourcen – sowohl Platz als auch Zeit. Statistisch gesehen besitzt jeder Mensch 10.000 Dinge – von denen er jedoch nur zwanzig Prozent regelmäßig in Gebrauch hat. Achtzig Prozent stellen somit Ballast und Belastung dar. „Wenn Sie von mehr Dingen um-geben sind, als Sie bewältigen können, wird Ihnen unterschwellig ein Gefühl von Schwäche vermittelt, das sich auf andere Lebensbereiche überträgt. Auch bremst Gerümpel Ihre Entwicklung, denn oft sind die abgelagerten Dinge mit Erinnerungen verbunden und halten Sie in der Vergangenheit fest”, warnen Werner Küstenmacher und Lothar Seiwert, die Autoren des Bestsellers „Simplify your Life”.
Dass überflüssige Dinge Energiebremsen sind, ist nicht nur fühlbar, sondern sogar messbar. Laut einer Arbeitsorganisationsstudie gehen etwa zehn Prozent der Arbeitszeit durch „überflüssige oder fehlende Arbeitsmaterialien” oder „ständiges Suchen nach dem richtigen Dokument in chaotischen Dateiverzeichnissen” verloren. Schlecht organisierte Büros kosten je-den Angestellten gut ein Drittel seiner Arbeitszeit – im Klartext heißt das: 70 Tage im Jahr verstreichen nutzlos. Höchste Zeit also, aufzuräumen und auszumisten. Der gute Vorsatz mag ja vorhanden sein, aber angesichts der Berge, die sich im Lauf der Zeit angesammelt haben, verlässt manchen schon vor Beginn der Mut. Auch hier heißt es wieder einmal: Mit Plan geht’s leichter.

Motivation ist alles
Machen Sie sich daher die Vorteile einer Aufräumaktion klar:
Entrümpeln schafft Platz für Neues!
Ein Sinnspruch sagt: „Wer loslässt, hat die Hände frei für Neues.“ Das gilt auch beim Ausmisten. Wobei das nicht nur neue Dinge betrifft, die auf diese Weise Einzug in Ihre Wohnung halten können, sondern auch neue Ideen oder Blickwinkel, die sich durch die Veränderung Ihrer Umgebung ergeben. Oft sieht man den Wald vor lauter Bäumen nicht mehr und ein schönes Regal nicht mehr vor lauter Krimskrams. Oder das Geschäft, das sich mittlerweile so klein anfühlte, ist plötzlich wieder luftig und geräumig, weil Sie es geschafft haben, die alten Dekoartikel, die sie jahrelang gehortet hatten, endlich auf den Müll zu schaffen.

Entrümpeln verschafft der Seele Luft
Körper und Geist stehen in enger Verbindung. Ballast, den Sie in Ihrem Leben angesammelt haben, belastet auch Ihre Gefühlswelt. Wenn Sie sich von alten Dingen befreien, befreien Sie sich auf diese Weise auch von angestauten Gefühlen. Ganz besonders gut können Sie diese Tatsache nützen, wenn Sie mal Wut auf Ihren Boss, Ihren Partner oder Ihre Kunden haben. Statt auf einen Sandsack einzuschlagen oder diese Gefühle in sich hineinzufressen, lassen Sie sie an Ihrem Kleiderschrank aus und werfen Sie alles raus, was Sie nicht mehr anziehen wollen. Sie werden sehen, dass mit jedem Teil, das in den Altkleidersack wandert, auch Ihr Zorn weniger wird. Und nicht zuletzt macht Entrümpeln gute Laune: Sich von alten, überflüssigen Dingen zu trennen, ist wie Kummerspeck verlieren. Die Diät ist vielleicht schwierig, aber das Erfolgserlebnis danach eine tolle Belohnung.

Los geht’s
In kleinen Schritten
Aufräumen ist in kleinen Häppchen viel leichter zu schaffen, als die immer größer werdende Unordnung auf den großen Aufräumtag zu schieben. In der Tiefe der Sprichwortkiste findet sich dazu der Satz: „Rom ist auch nicht an einem Tag erbaut worden.“ Aber in Etappen ist jedes Ziel erreichbar.

Zuerst der Fußboden
Ist ein ganzes Zimmer unaufgeräumt, beginnen Sie am besten mit dem Fußboden. Ein freier, leer geräumter Fußboden ist nicht nur nötig, damit man sich im Raum beim weiteren Entrümpeln frei bewegen kann, sondern vermittelt einen ersten Eindruck von Ordnung und ist Ansporn, auch allen anderen Flächen zu Leibe zu rücken.

Das einfachste Erfolgserlebnis
Beginnen Sie mit Ihrer ersten Aufräumaktion dort, wo in kürzester Zeit am meisten bewirkt werden kann. Das heißt, dort wo sofort Erfolg sichtbar ist. Das motiviert zum Weitermachen. Also beispielsweise zuerst den Tisch leer räumen, bevor Sie den übervollen Schrank in Angriff nehmen.

Nicht nur ordnen, sondern entrümpeln
Dinge fein säuberlich zu stapeln und zu ordnen, ist zwar ein guter Anfang, beseitigt aber nicht das Grundproblem: Zu viele Dinge haben sich angesammelt und Sie müssen sich von etwas trennen. Papierkram auf dem Schreibtisch oder im Schrank lässt sich prima mit der sogenannten Kleeblattmethode bewältigen. Teilen Sie den Platz um sich herum in vier Felder ein. Ins erste Feld kommt „Müll”: der Prospekt eines Fünf-Sterne-Hotels, in das Sie nie fahren werden, oder die Rechnung für den Toaster, dessen Garantie schon abgelaufen ist. Ins zweite Feld wandern alle Dinge, die Sie weiterleiten müssen, wie die Schulungsunterlagen für Ihre Kollegin. Das dritte Feld heißt „Wichtig” und in diesem – aber nur in diesem – dürfen Dinge bleiben, die Sie in nächster Zeit zu erledigen haben. Mit „Wunder” ist das vierte Feld betitelt, das beim Aufräumen leer bleiben sollte, denn alle „Wunder-Dinge” haben sich beim Aufräumen selbst zu erledigen, d.h. der Kontoauszug und die Gebrauchsanweisung werden sofort in ihren eigenen Ordnern abgelegt. Was bei der Methode auf keinen Fall erlaubt ist: Zwischenhäufchen oder mehr als vier Felder bilden und jedes Ding darf nur einmal angefasst werden.
Nach ähnlichem Prinzip erfolgt auch das Entrümpeln von ganzen Räumen. Hierbei nimmt man am besten drei Kartons mit den Aufschriften „Müll”, „Weitergeben” und „Behalten”. Am konsequentesten sollte man in puncto „Müll” sein und sich im Zweifelsfall fragen: „Habe ich diesen Gegenstand innerhalb des letzten Jahres verwen-det? Würde ich ihn ersetzen, wenn er mir gestohlen würde?“ Bei einem oder zwei Nein wird das Ding sofort zum No-no – und weg damit! Apropos, weg heißt weg. Denn wenn der Müllkarton lediglich vom Haus in die Garage wandert, ist das Problem lediglich „verschoben”. Ebenso wenig darf die Unordnung beim Ausmisten eines Raumes in den nächsten Raum übersiedeln, indem Dinge dort „zwischengelagert” werden. Prinzipiell gilt: Nach jeder Aufräumaktion sollte die Wohnung besser aussehen, nicht schlimmer - auch nicht als Übergangsstadium.

Dranbleiben
Haben Sie es auf diese Weise geschafft, dem Chaos in Ihrer Wohnung zu zeigen, wer die Herrin im Haus ist, besteht das Kunststück darin, die Ordnung auch beizubehalten. Denn manche Räume haben die Tendenz, wie ein Dschungel zuzuwachsen, und Gefühle von Frustration und Überforderung sind bei Ihnen dann vorprogrammiert. Um das zu vermeiden, können Sie sich mit diesen drei Tricks helfen:

1. Fixe Zeiten
Reservieren Sie regelmäßige Zeiten für Aufräumaktionen. Wann fällt es Ihnen am leichtesten aufzuräumen? Abends, weil Aufräumen den Übergang von der Tagesaktivität zur Nachtruhe symbolisiert? Oder vielleicht gleich nach der Arbeit, wenn Ihnen das mechanische Aufräumen beim Abschalten hilft? Legen Sie sich eine fixe Zeit zurecht, in der Sie dem Chaos den Kampf ansagen.

2. Stets volle Hände
Täglich gehen Sie in Ihrer Wohnung oder Ihrem Geschäft mehrfach von einem Raum in den anderen. Tun Sie das nicht mit leeren Händen. Nutzen Sie diese Wege, um etwas an den richtigen Platz zu bringen. Bevor Sie aus einem Raum gehen, blicken Sie kurz um sich und fragen Sie sich, was Sie in den nächsten Raum mitnehmen können. Wir sind nun mal bequem und lassen gerne benutzte Gegenstände da liegen, wo wir sie verwendet haben.

3. Alles hat seinen Platz
Dabei lautet die ultimative Regel für Ordnung: Alles hat seinen Platz und kehrt nach Benützung wieder an seinen Platz zurück. Wenn Ihnen diese Regel in Fleisch und Blut übergeht, wird es Ihnen ein Leichtes sein, Ordnung zu halten. Dinge herumliegen zu lassen, ist häufig reine Faulheitssache, und haben Sie sich erst einmal dabei ertappt und zur Selbstdisziplin aufgerafft, wird das Ordnung-Halten von Mal zu Mal einfacher.

Warum wir Gerümpel sammeln
Zwar heißt es immer, Männer seien Jäger und Frauen Sammler, aber Männer mit zugemüllten Schreibtischen oder Bastelkellern finden sich ebenso wie Frauen mit blitzblanken Schränken. Das Thema ist weder geschlechtsspezifisch, noch von Alter, Bildungsgrad oder Wohnort abhängig – sondern schlichtweg menschlich. Denn Sammeln von Besitztümern erfüllt zugleich viele Funktionen:

1. Besitz vermittelt Sicherheit
Nach dem Zweiten Weltkrieg, als die meisten Menschen wenig besaßen, war häusliche Unordnung durch zu viel Krempel kein Thema. Erst mit den Wirtschaftswunderjahren wuchs der Konsum und damit auch der materielle Besitz. Wer vorher nichts gehabt hatte, begann nun, zu viel zu haben, um nicht wieder in den Zustand des Mangels zurückzurutschen, der mit Gefühlen wie Angst und Unsicherheit verbunden war. Der Besitz von Nahrungsmitteln ebenso wie von Gegenständen vermittelte das Gefühl, dass die Hungerjahre vorüber waren bzw. dass man für die nächste Krisenzeit gerüstet war. Der prall gefüllte Kleiderschrank beruhigt ebenso wie der prall gefüllte Vorrats-schrank. Man ist auf jede Wetterlage genauso vorbereitet wie auf eine etwaige Hungersnot. Sicherheit vermitteln auch „Reserven“. So behält man beispielsweise den alten funktionierenden Toaster, auch wenn man sich einen neuen kauft, weil Letzterer ja möglicherweise mal nicht funktionieren könnte. Doch der doppelte Toaster beansprucht auch doppelten Stauraum im Küchenschrank.

2. Besitz vermittelt Status
Das ist ebenfalls eine Geisteshaltung, die wir vermutlich schon aus dem Neandertal mitgebracht haben. Wer viel „ist“, „hat“ auch viel. In früheren Zeiten besaßen Könige Ländereien, Pferde, Leibeigene, Schlösser. Heutzutage müssen es mindestens Kaffeeautomat, Smartphone oder Flatscreen sein, damit wir das Gefühl haben, es zu etwas gebracht zu haben.

3. Besitz vermittelt Erinnerungen
Viele Dinge, die wir besitzen, haben wir von anderen bekommen – einen schwarzen Pashminaschal von der Freundin zum Geburtstag, ein Kaffeeservice als Erbstück von unserer Tante. Das ist generell kein Problem, hätten wir nicht schon drei schwarze Pashminaschals und zwei Kaffeeservices im Schrank. Dabei ist es im Grunde genommen völlig egal, ob es nur eines oder zig Dinge sind, die man mit Gefühlen für einen lieben Menschen verbindet. Bei mehreren Erinnerungsstücken werden die Gefühle und Erinnerungen an den Schenker den-noch nicht intensiver als bei einem.

Warum sich Trennen so schwer fällt
Weil Dinge in vielen Fällen nicht ein-fach für sich stehen, sondern wie be-schrieben mit Gefühlen wie Statusdenken, Sicherheit und Erinnerungen verknüpft werden, fällt es uns schwer, uns von ihnen zu trennen. Grund für unsere Unfähigkeit, unsere Räume zu entrümpeln, können aber auch Ängste sein.
Zeichnungen aus der Volksschule, eine Postkarte von der Tanzschulliebe, der Mietvertrag des ersten Geschäfts – sie alle sind Zeugnis unseres Lebens. Jedes einzelne Ding für sich ist ein liebge-wonnenes Souvenir, aber zusammen füllen sie Schränke und Regale. Auch wenn unsere Lebensgeschichte aus lauter kleinen Bausteinen besteht, ist es nicht nötig, jeden einzelnen aufzuheben, nur um einen Beweis zu besitzen, dass wir gelebt haben. Viele Dinge definieren auch unsere Rollen: Die Zeichnungen aus der Grundschule erinnern an uns zum Beispiel an unsere Zeit als Grundschüler. Nur, weil wir diese Dinge nicht mehr besitzen, heißt das nicht, dass wir diese Rollen niemals eingenommen haben. Was und wer wir einmal waren, kann uns niemand nehmen, auch wenn wir die Zeugnisse dafür nicht mehr besitzen.

Angst vor negativen Gefühlen
Viele Dinge erinnern uns an etwas, das wir lieber vergessen würden. Wir haben unser Studium nicht abgeschlossen, aber die Mitschriften aus den Vorlesungen stapeln sich noch immer im Schrank. Wir sind geschieden, aber die Reiseprospekte von gemeinsamen Urlauben verstopfen noch immer eine Schublade. Wir haben uns mit unserer Tochter zerstritten, aber ihre alte Jugendmagazine liegen noch immer auf dem Dachboden. Räumen wir diese Sachen auf und aus, müssen wir uns zwangsläufig mit den Situationen, mit denen sie verbunden sind, auseinandersetzen. Das ist zwar in diesem Augenblick schwer, aber dafür können wir zusammen mit ihnen auch unsere negativen Gefühle entsorgen.

Felicitas Freise
Die Autorin lebt als freie Redakteurin in Wien und schreibt für österreichische Frauen- und Gesund-heitsmagazine. Zusätzlich betreibt sie als diplomierte Shiatsu-Praktikerin eine eigene Praxis (www.praxisjosefstadt.at).

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