Chemie für Kosmetiker/-innen: Sauerstoff

23.02.2021
Illustration: ElenaTlt/Shutterstock.com

Sauerstoff ist überall – in der Luft, gebunden im Wasser und in vielen anderen alltäg­lichen Stoffen. Das farblose Gas ist immer für Überraschungen gut, wie wir in unserer neuen Serie „Chemie für Kosmetiker/-innen“ zeigen.

Sauerstoff (O) liegt in der Luft als zweiatomiges, gasförmiges O2- Molekül vor und ist in Verbindung mit anderen chemischen Elementen bis in die Erdkruste hinein das häufigste Element auf unserem Planeten.

Sauerstoffverbindungen

Verbindungen von Sauerstoff mit anderen Elementen nennt man Oxide. Während Wasser als flüssiges Oxid des Wasserstoffs der häufigste Kosmetik-Inhaltsstoff sein dürfte, finden sich unter den festen Oxiden viele Pigmente – zum Beispiel Eisenoxide (rot, braun, schwarz) und Titandioxid (weiß). Siliziumdioxid (Quarz), Aluminiumoxid (Ton) und Eisenoxide sind die Hauptbestandteile von Heilerden, die in Masken oder in der Physiotherapie Verwendung finden.

Neben diesen anorganischen Verbindungen gibt es eine außerordentlich große Vielfalt von organischen Sauerstoffverbindungen. Dazu gehören Alkohole wie Ethanol (Lösungsmittel) oder Glycerin (Teil des körpereigenen Natural Moisturizing Factor [NMF]), viele Riechstoffe auf Aldehyd- und Keton-Basis, Carbonsäuren (Beispiele: gesättigte und essenzielle Fettsäuren) sowie ihre Verbindungen untereinander. Die Triglyceride aus Glycerin und Carbonsäuren sind Hauptbestandteil der Pflanzenöle und der tierischen Fette.

Gebundener Sauerstoff kommt darüber hinaus in Aminosäuren, Peptiden und Proteinen sowie Phosphor-Verbindungen der lebenden Natur vor. Sauerstofffreie Verbindungen wie das Squalen des menschlichen Sebums bilden dort eher die Ausnahme.

Kontrollierte Reaktionen

Sauerstoff reagiert mit brennbaren, sprich oxidierbaren Stoffen unter Freisetzung von Energie, die in unserem Körper zur Aufrechterhaltung der Körpertemperatur und zur Bereitstellung mechanischer Energie in den Muskeln genutzt wird. Zu diesem Zweck gibt es in den menschlichen Zellen spezielle Organellen (Mitochondrien). Dort laufen die Oxidationen inklusive radikalischer Reaktionen biochemisch kontrolliert ab. Die einzelnen Reaktionsschritte werden durch Enzyme (Oxidoreduktasen) katalysiert. Endprodukte sind Kohlendioxid, das ausgeatmet wird, sowie Wasser und oxidierte organische Verbindungen, die hauptsächlich über Kot und Urin ausgeschieden werden. Da eine Oxidation physikalisch immer mit einem Elektronenübergang von dem zu oxidierenden Stoff auf den Sauerstoff verbunden ist, spricht man generell auch dann von einer Oxidation, wenn einem Stoff in irgendeiner Weise Elektronen entzogen werden. Bei der Photosynthese der Pflanzen, die aus Wasser Sauerstoff produzieren, findet eine Oxidation des im Wasser enthaltenen Sauerstoffs (O2–) zu gasförmigem Sauerstoff (O2) statt, indem Elektronen abgegeben werden.

Schadstoffe durch Oxidation

Außerhalb der Mitochondrien können unkontrollierte radikalische Oxidationen Schäden anrichten. Deswegen werden die Zellen der Organismen durch Antioxidantien wie Vitamin C (Ascorbinsäure) und Vitamin E (Tocopherol) geschützt. In der Hautbarriere sind es die Aminosäuren des NMF und diverse Peptidstrukturen, die insbesondere gegen oxidierende atmosphärische Radikale wie Stickstoffoxide wirksam sind.

Außerhalb der Organismen entstehen durch photochemische Oxidation organischer Verbindungen viele Schadstoffe wie das im atmosphärischen Smog enthaltene Peroxyacetylnitrat (PAN) oder allergene Peroxide aus ätherischen Ölen. Ranzig riechende Spaltprodukte resultieren aus der Peroxidierung ungesättigter Carbonsäuren. Mitunter kann an den Oxidationen auch das aus drei Sauerstoffatomen bestehende Ozon (O3) beteiligt sein.

Aggressive Radikale

Besonders aggressiv sind neben dem Ozon (O3) und dem energiereichen Singulettsauerstoff (1O2) das Peroxidanion (O22-), das Hydroxylradikal (HO•) und das Hyperoxidanion alias Superoxidanion (O2–). Sie gehören zur Gruppe der ROS (Reactive Oxygen Species). Die aus der unkontrollierten Reaktion mit organischen Verbindungen resultierenden organischen Hydroperoxide (R-OOH), Peroxyradikale (R-OO•) und Alkoxyradikale (R-O•) sind ebenfalls äußerst reaktiv und schädlich. Um ihre Bildung zu verhindern und sich dagegen zu schützen, werden in Lebensmitteln, Kosmetika und vielen anderen Gegenständen des täglichen Lebens Antioxidantien eingesetzt. Ihr Prinzip ist es, schneller mit ROS zu reagieren als die zu schützenden Zusammensetzungen. Dabei werden sie allerdings auch verbraucht. In Sonnenschutzmitteln geht man einen anderen Weg. Hier wird die Strahlung bereits mithilfe von UV-Filtern in Wärme umgewandelt, bevor sich Radikale bilden können.

Reaktionen in & um die Haut

Schäden an Lipiden („Lipidperoxidation“) oder Proteinen („Proteinoxidation“) in der Haut initiieren Entzündungs- und Alterungsprozesse, DNA-Schäden sowie Hautveränderungen bis hin zu Karzinomen. Äußerlich erkennbar sind Altersflecken, die aus oxidierten Protein-Lipid-Komplexen (Lipofuszin) oder Zucker-Protein-Agglomeraten (Advanced Glycation Endproducts [AGE]) bestehen.

Im normalen physiologischen Stoffwechsel und bei Immunantworten bedient sich selbst der Körper der aggressiven ROS-Moleküle. Ein Beispiel ist Wasserstoffperoxid (H2O2), das Enzym-kontrolliert für spezielle biochemische Reaktionen benötigt wird. Überschüssiges Wasserstoffperoxid wird durch das Enzym Katalase (CAT) zu Wasser und Sauerstoff und durch die selenhaltige Glutathionperoxidase (GPX) zu Wasser abgebaut. So kann es im Organismus keine Schäden anrichten – es sei denn, es liegen Enzymdefekte vor. Die sichtbare Folge eines Enzymdefektes ist zum Beispiel die Vitiligo (Weißfleckenkrankheit). In diesem Fall greift nicht abgebautes Wasserstoffperoxid Melanin und den Melanin-Bildungsprozess an. Die Haut bleibt unpigmentiert. Eine ähnliche Wirkung kann man beim Bleichen von Haut und Haaren mit Wasserstoffperoxid beobachten.

Auch die Hautflora bedient sich eigener Enzyme, die Lipide oxidieren und abbauen können. Dabei entstehen unter anderem kurzkettige Carbonsäuren, die den schützenden Säuremantel der Haut bilden, indem sie den pH-Wert senken.

Aseptische Wirkung

Reaktive Sauerstoffverbindungen wirken bei oberflächlichen Infekten und Mykosen aseptisch. Beispiele sind Benzoylperoxid zur Behandlung der Akne. Zur Flächendesinfektion von Gegenständen werden niedrigkonzentrierte Wasserstoffperoxid-Lösungen verwendet. Dabei wird hochreaktiver, naszierender (einatomiger) Sauerstoff freigesetzt. Häufig verwendete sauerstoffabgebende Verbindungen sind auch Kaliumpermanganat, das als schnell wirkendes Mittel bei Pilzinfekten und anderen Hautinfekten verwendet wird, sowie alkalische Hypochlorit-Lösungen (oxidative Reiniger).

Kosmetische Hochfrequenzstäbe erzeugen geringe Mengen an Ozon und Stickoxiden, die bei der Ausreinigung von Akne-Komedonen oder der Behandlung entzündeter Hautareale desinfizierend wirken. In kosmetischen Bedampfungsgeräten (Vapozon) entsteht Ozon an einer UV-Licht abstrahlenden Quarzlampe.

Foto: Autor
Dr. Hans Lautenschläger Chemiker, geschäftsführender Gesellschafter Koko Kosmetikvertrieb GmbH & Co. KG, Leichlingen, www.dermaviduals.de
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