Langer Weg zum Titel

10.09.2018
Foto: Monkey Business Images/Shutterstock.com

In den vergangenen Jahren hat die Zahl der Nageldesigner rasant zugenommen. Da die Berufsbezeichnung in Deutschland nicht geschützt ist, suchen immer mehr Ambitionierte einen Weg, sich von der Masse abzuheben. Eine Möglichkeit ist der staatlich anerkannte Titel „Geprüfter Nageldesigner (HWK)“. Doch viele, die diese Prüfung machen wollen, haben einen steinigen Weg vor sich. Und das liegt nicht nur an den anspruchsvollen Prüfungsinhalten, wie ein aktueller Fall zeigt.

Magdalena Borowiak aus Aurich, Carolin Hössel aus Mücka, Antje Korb aus Andernach und Jacqueline Schmidl aus Ludwigsmoos haben eins gemeinsam: Die jungen Nageldesignerinnen möchten ihren Kunden „das beste Fachwissen bieten und sie professionell bedienen“, das heißt, sie möchten ihren Beruf „entweder ganz oder gar nicht ausüben“. Und die vier haben schon einiges dafür getan.

Zur Weiterbildung haben alle Ende 2017/Anfang 2018 ein Kursangebot, eine sogenannte „Powerklasse“, inklusive Theorie- und Praxisvorbereitung auf die Handwerkskammerprüfung an der Nageldesign-Akademie eines Nagelkosmetikherstellers im Handwerkskammerbezirk Frankfurt am Main gebucht. Allein der Vorbereitungsteil (1 Praxistag beim Ausbilder und das E-Learning-Material für die Theorievorbereitung) hat sie rund 300 Euro gekostet. Für die ganze „Powerklasse“ zahlen sie alles in allem das Sechsfache. Hinzu kommen noch die Kosten für die Anreise zu den insgesamt sechs Praxistagen (bis zu 560 Kilometer ein Weg), für die teilweise notwendigen Übernachtungen sowie für den Materialaufwand (circa 500 Euro). Für die eigentliche HWK-Prüfung würden noch einmal etwa 300 Euro fällig.

Und neben Geld müssen Magdalena Borowiak, Carolin Hössel, Antje Korb und Jacqueline Schmidl auch viel Zeit investieren: Das E-Learning-Material allein umfasst rund 50 Stunden Film, darunter 26 Stunden mit relevanten Themen für die Handwerkskammerprüfung. Hinzu kommen unzählige Übungs- und Wiederholungsstunden. Die „Powerklasse“ zieht sich insgesamt über neun Monate.

Keiner will Sie prüfen

Doch derzeit scheint es, als ob sich all dieser Einsatz möglicherweise nicht auszahlt. Denn erstmals seit neun Jahren hat die Handwerkskammer Frankfurt-Rhein-Main 2018 keinen Prüfungsausschuss für die Fortbildungsprüfung „Geprüfte(r) Nageldesigner(in) (HWK)“ einberufen. Die Pressesprecherin der Handwerkskammer, Patricia C. Borna, begründet dies auf Nailpro-Nachfrage wie folgt: „Die Handwerkskammer Frankfurt-Rhein-Main hat sich entschieden, einen stärkeren Fokus auf die Ausbildungswege des Handwerks zu legen.“ In diesem Zug seien verschiedene Lehrgangs- und Prüfungsformate entsprechend den Kriterien der Handwerkskammerordnung überprüft worden.

In den vergangenen drei Jahren haben in Frankfurt nach Angaben von Patricia C. Borna insgesamt 61 Personen an fünf Prüfungen teilgenommen. Davon haben 89 Prozent die anspruchsvolle Prüfung bestanden.

„Wir wurden von unserer Ausbilderin schon sehr früh darüber informiert, dass es in Frankfurt 2018 keine Prüfung mehr geben wird“, sagen Magdalena Borowiak, Carolin Hössel, Antje Korb und Jacqueline Schmidl übereinstimmend und sind dankbar für diese Fairness. Allerdings habe es zu diesem Zeitpunkt noch die Hoffnung gegeben, die Prüfung an einer anderen Handwerkskammer ablegen zu können. Denn in den jeweiligen Rechtsvorschriften, die einzelne Handwerkskammern für die Fortbildungsprüfung „Geprüfte Nageldesignerin (HWK) / Geprüfter Nageldesigner (HWK)“ erlassen haben, heißt es: „Zur Prüfung ist zuzulassen, wer die Gesellenprüfung in den anerkannten Ausbildungsberufen Kosmetikerin/Kosmetiker oder Friseurin/Friseur bestanden hat. Zur Prüfung kann auch zugelassen werden, wer durch Vorlage von Zeugnissen oder auf andere Weise glaubhaft macht, dass er die erforderlichen Erfahrungen und Kenntnisse erworben hat, die eine Zulassung zur Prüfung rechtfertigen.“

Daher hat die Ausbilderin von Magdalena Borowiak, Carolin Hössel, Antje Korb und Jacqueline Schmidl inzwischen zahlreiche der prüfenden Handwerkskammern bezüglich eines Termins für ihre Schülerinnen angeschrieben – bislang jedoch vergeblich. Einmal kam gar keine Antwort zurück. Andere Handwerkskammern forderten, dass die Nageldesignerinnen noch mal einen ganzen oder zumindest teilweisen Vorbereitungskurs bei der jeweiligen Handwerkskammer belegen oder im Kammerbezirk wohnen müssten, damit sie die Prüfung dort ablegen können. Eine andere Handwerkskammer weiß derzeit noch nicht, ob sie genug „eigene“ Prüflinge zusammenbekommt und ob dann die „kammerlosen“ Nageldesigner dort mitgeprüft werden können.

Betroffene vermissen Respekt

„Die Gesamtsituation ist extrem unbefriedigend. Ich möchte gern einen Abschluss erreichen und vor einem neutralen und an festgeschriebene Richtlinien gebundenen Fachgremium geprüft werden“, findet Antje Korb das Ganze nicht mehr nur bedauerlich, sondern schon ärgerlich und respektlos gegenüber dem Beruf des Nageldesigners. „Wenn selbst von offizieller Seite der Ruf und Wunsch nach Seriosität und Fachkompetenz so mit Füßen getreten wird, welches Bild macht das bei den Kunden/der Allgemeinheit? Vorurteilen wird so ein Nährboden geliefert. Das kann nicht im Interesse der Öffentlichkeit sein und auch nicht in dem derer, die versuchen, ihre Sache gut und richtig zu machen“, findet sie. Eine Anerkennung des Berufsbilds würden dagegen einen Standard herstellen, der Kunden Sicherheit bietet.

Ähnlich sieht das Carolin Hössel: „Meine persönliche Meinung zu der Problematik ist, dass ich mich nun nicht mehr aus der Masse hervorheben kann und mir dadurch ein Nachteil gegenüber meinen Wettbewerbern entsteht. Es gilt beim Nageldesign so viel zu beachten, um Verletzungen zu vermeiden und die Kunden richtig mit umfangreichem Fachwissen zu beraten. Durch die bestandene HWK-Prüfung würde meine Kompetenz unterstrichen.“

Und Jacqueline Schmidl bezeichnet das Ganze als „Kindergartentheater“. „Es ist schade, dass diejenigen, die das Ganze verursacht haben, nicht daran denken, dass wir Nageldesigner nichts damit zu tun haben. Leider wird das Ganze aber auf unserem Rücken ausgetragen, was ich wiederum sehr traurig finde“, erklärt sie.

Magdalena Borowiak findet die Tatsache, dass sie derzeit keine HWK-Prüfung machen kann, „sehr unmotivierend“. Sie meint, dass die HWK-Prüfung für alle, die in der Branche arbeiten wollen, ein Muss sein sollte. Es sei paradox, dass Nageldesigner, die gegen den schlechten Ruf der Branche kämpfen und professionell sein wollen, nicht geprüft werden können. „Ich sehe es als Ziel meiner Kariere, träume davon und kämpfe dafür, dass Nageldesign eines Tages als Beruf anerkannt wird. Das Fachwissen ist umfangreich genug“, sagt sie.

Suche geht weiter

Bis es so weit ist, wollen sich die vier weiter fortbilden. Und sie geben die Hoffnung nicht auf, dass sich doch noch eine Handwerkskammer findet, bei der sie die Prüfung ablegen können.

Die Fortbildungsprüfung „Geprüfter Nageldesigner (HWK)“Die Prüfung wurde 2006 vom Bundesverband deutscher Nail Designer (BDND) konzipiert, um Nageldesignern das nötige Wissen für eine erfolgreiche Arbeit zu vermitteln und Kunden schon vor dem ersten Termin möglicherweise einen Hinweis auf eine gute Arbeitsqualität zu geben. Von den 53 Handwerkskammern in Deutschland haben im Lauf der Jahre allerdings nur knapp 20 entsprechende Rechtsvorschriften für die Fortbildungsprüfung „Geprüfte Nageldesignerin (HWK) / Geprüfter Nageldesigner (HWK)“ erlassen. Prüfungen finden derzeit tatsächlich nicht einmal an einem halben Dutzend Handwerkskammern statt. Die Prüfungen bestehen jeweils aus einem theoretischen und einem praktischen Teil. In dem etwa zweistündigen Theorieteil werden Fragen zu Anatomie, Dermatologie, Hygiene, Terminologie, Materialkunde, arbeitstechnischen Anwendungen und betriebswirtschaftlichen Sachverhalten gestellt. Der Praxisteil dauert circa drei Stunden und in dieser Zeit müssen die Prüflinge zeigen, dass sie zwei verschiedene Techniken der Nagelverlängerung, den Refill, die Reparatur eines Nagels sowie die Anwendung von verschiedenen NailArt-Techniken beherrschen. Auch die vorgeschriebene Kennzeichnung des Arbeitsmaterials und das Aussehen des Arbeitsplatzes fließen in die Bewertung ein. Erst nach Bestehen beider Prüfungsteile darf der staatlich anerkannte Titel „Geprüfte(r) Nageldesigner(in) (HWK)“ geführt werden.
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