Chemie für Kosmetiker/-innen: Stickstoff

22.04.2021
Illustration: ElenaTlt/Shutterstock.com

Stickstoff ist mit einem Anteil von 78 Prozent das wichtigste Element der Luft. Viele seiner Verbindungen finden sich in der Hautpflege wieder, wie wir in unserer Serie „Chemie für Kosmetiker/-innen“ zeigen.

Der größte Teil unserer Atmosphäre, etwa 78 Volumenprozente, besteht aus farb- und geruchlosem Stickstoff (N). Mit einer Beteiligung von nur 0,03 Prozent an der Erdhülle ist Stickstoff jedoch ein eher seltenes Element auf unserem Planeten. Anders als den Sauerstoff atmen wir das zweiatomige Gas (N2) als Bestandteil der Luft zwar ein, aber unverändert wieder aus. Und doch besteht unser Körper zu einem großen Teil aus den Verbindungen des Stickstoffes mit anderen Elementen. Wie es dazu kommt, ist ein spannendes Kapitel in der Erdgeschichte und der Evolution des Lebens.

Stunde Null

Ursprünglich bestanden die Atmosphäre und Oberfläche der Erde aus Gasen und anorganischen Flüssigkeiten und Mineralien, die in Form von chemischen Reaktionen und physikalischen Effekten miteinander wechselwirkten. Dabei spielten Strahlung und elektrische Entladungen eine entscheidende Rolle, denn sie aktivierten den reaktionsträgen Stickstoff dazu, sich mit anderen Elementen zu verbinden. So entstanden nach dem Zufalls-prinzip unter anderem die ersten Aminosäuren, also Moleküle aus Kohlenstoff, Wasserstoff, Sauerstoff und Stickstoff.

Autokatalyse

Auch die neuen Moleküle gingen untereinander chemische Umsetzungen ein. Die Aminosäuren verknüpften sich zu Peptiden (Familie der Amide). Eine Besonderheit der Oligopeptide – bestehend aus wenigen Aminosäurebausteinen – und mehr noch der Polypeptide – mit ihren vielen Aminosäure-Untereinheiten – ist es, chemische Reaktionen beschleunigen zu können. Mit anderen Worten: Peptidstrukturen wirken katalytisch. Im Falle der Reaktion von Aminosäuren zu immer komplexeren Peptiden nennt man diesen Vorgang auch Autokatalyse.

Hand in Hand

Die Peptide konnten chemische Reaktionen katalysieren und sich selbst duplizieren. Damit waren die Vorläufer der Enzyme geboren. Die erfolgreichsten unter ihnen produzierten Stoffe, die wiederum von anderen Enzymen verändert, ab- oder weiter aufgebaut wurden. Sie stellten sich also aufeinander ein und arbeitete gemäß dem Massenwirkungsgesetz zunehmend Hand in Hand. Mit wachsendem Organisationsgrad bildeten sich arbeitsteilige Strukturen, die sich selbst reproduzieren konnten. Sie gelten als die Vorstufen des Lebens. Heute sind unsere Gene nichts anderes als der Organisationschlüssel für sämtliche später in unserem Körper gebildeten Enzyme und ­deren miteinander abgestimmte Aktivi­täten.

Synergien

Deshalb ist unser Organismus auf die Nahrungsaufnahme stickstoffhaltiger Aminosäuren, Peptide – inklusive spezifischer Proteine – und Vitamine angewiesen. Wir stehen am Ende der Nahrungskette, die mit Bakterien beginnt, die im Wasser, im Boden oder zusammen mit Pflanzen leben und es gelernt haben, im Lauf von Jahrmillionen mit Enzymen den Stickstoff aus der Luft zu fixieren. Mehr noch: Ohne die Synergien unseres Organismus mit den Mikroorganismen des Magen-Darm-Traktes und der Haut läuft nichts. Alle arbeiten mit den gleichen Werkzeugen, den für sie essenziellen Stickstoffverbindungen.

Hautpflege

Anfang des 20. Jahrhunderts ist es dann auch der chemischen Industrie gelungen, den Luftstickstoff katalytisch zu binden und in der Folge unzählige seiner Verbindungen synthetisch herzustellen. Und so finden sich heute viele dieser Stoffe in der Hautpflege wieder. Und es wundert nicht, dass es sich meist um die gleichen handelt, die schon in der Evolution eine Rolle gespielt haben.

Aminosäuren

Aminosäuren sind Hauptbestandteile des NMF (Natural Moisturizing Factor) und effektive Radikalfänger, indem sie unter anderem Stickstoffoxid-Radikale der Luft abfangen und in harmlosen atmosphärischen Stickstoff umwandeln. Der intakte NMF ist eine Grundvoraussetzung für das osmotische Gleichgewicht und eine problemlos funktionierende Hautbarriere.

Ectoin ist eine wasserbindende cyclische Aminosäure und kommt in Bakterien vor, die noch in Salzseen unter hohem osmotischem Druck lebensfähig sind. Ectoin erhöht die Irritationsschwelle der Haut und wird – vielfach liposomal – in Präparaten für empfindliche Haut eingesetzt.

Amide

Amide haften mit ihren Wasserstoffbrückenbindungen gut an der Hautoberfläche. Manche Amide wie die Ceramide sind sogar barriereaktiv. Damit verbunden ist häufig eine juckreizstillende Wirkung, die bei Harnstoff, Allantoin und Fettsäurealkanolamiden wie etwa dem Palmitinsäureethanolamid stärker ausgeprägt ist. Hohe Konzentrationen von Harnstoff führen zu einer keratolytischen Wirkung und einer Penetrationsverstärkung von anderen Stoffen.

Ceramide verhindern das Austrocknen der Haut und das Eindringen von Fremdstoffen. Klassische Anwendungen sind die trockene Haut und der Hautschutz. In der Haarpflege werden Ceramide in die Haarzwischenräume eingebaut.

Die Amide Capsaicin (Chili) und Spilanthol (Parakresse) gehören zu den Schärfestoffen. Ihre lokalanästhesierende Wirkung reduziert die Muskelkontraktion der Mimikfalten und bewirkt eine effektive Faltenglättung. Die mit den Polysacchariden verwandten Hyaluronsäuren verfügen über eine hohe Wasserbindungskapazität und hautglättende Wirkung.

Peptide

Unterschiedliche kurzkettige Peptide finden als Kollagenbooster (Matrikine) und Botox-ähnliche Faltenglätter Verwendung. Enzympeelings spalten Peptide und Proteine und regen die Hauterneuerung an. Kollagen- und Weizenproteinhydrolysate und deren Kondensate glätten die Haut ähnlich wie die Hyaluronsäure, indem sie Wasserstoffbrücken zum Keratin ausbilden. Wachstumsfaktoren sind körpereigene Peptide, die man beispielsweise mit dem Vitamin A stimulieren kann.

Vitamine

Vitamin B1 (Thiamin), Vitamin B2 (Riboflavin), Vitamin B3 (Niacin), Vitamin B5 (Pantothensäure), Vitamin B6 (Pyridoxin), Vitamin B7 (Biotin), Vitamin B9 (Folsäure) und Vitamin B12 (Cyanocobalamin) enthalten durchweg Stickstoffatome in Form von Aminen und Amiden. Das Provitamin B5 (D-Panthenol) hat eine antiinflammatorische Wirkung und ist ein Penetrationsverstärker, der in Gesichtstonics und vor Maskenbehandlungen verwendet wird.

Mehr Stickstoffverbindungen

Dimethylaminoethanol (DMAE) werden faltenreduzierende und feuchtigkeitsspendende Wirkungen nachgesagt. Die Substanz tritt unter anderem als Metabolit des im Phosphatidylcholin gebundenen Cholin auf.

Phosphatidylcholin (PC) ist ein Phospholipid mit einem vielfältigen Wirkungsspektrum und gehört neben den Sphingomyelinen und Ceramiden zu den wichtigsten membranbildenden Naturstoffen.

Alkaloide sind eine heterogene stickstoffhaltige Substanzgruppe, zu der neben Nikotin und Morphin zum Beispiel das in Kosmetika eingesetzte Coffein sowie das entzündungshemmende Berberin zählen.

Stickstoffmonoxid (NO) und Stickstoffdioxid (NO2) entstehen durch elektrische Entladungen und bei Verbrennungsvorgängen. NO wird im Körper unter kontrollierten Bedingungen als Neurotransmitter freigesetzt. Lachgas (N2O) ist ebenfalls ein Stickoxid, aber kein Radikal. Es hat anästhesierende Wirkung. Nitrosamine sind das Reaktionsprodukt sekundärer Amine mit Stickstoffoxiden. Sie sind durchweg krebsauslösend.

Foto: Autor
Dr. Hans Lautenschläger Chemiker, geschäftsführender Gesellschafter Koko Kosmetikvertrieb GmbH & Co. KG, Leichlingen, www.dermaviduals.de
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